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Marco

Romanist, Aktivist und angehender Imam, Frankfurt a. M., trans Mann

Religiosität bedeutet für mich, ins Gespräch mit Gott einzutauchen. Das Gebet bietet eine gute Gelegenheit, im Alltag kurz innezuhalten, und hilft mir, mich innerlich zu sortieren. Ich bin religiös, aber nicht muslimisch aufgewachsen. Meine griechisch-orthodoxe Großmutter und meine sonst katholische Familie haben mir das Christentum nähergebracht. Die Auseinandersetzung mit meinem Glauben hat mich zum Islam geführt. Hier gibt es keine Institutionen und keine Hierarchien. Ich darf mit Gott direkt sprechen – ganz ohne eine Zwischeninstanz. Zur Zeit mache ich eine Imam-Ausbildung, studiere Islamische Theologie und führe queere und interreligiöse Eheschließungen beim Liberal-Islamischen Bund durch. Dort bin ich auch Vorstandsmitglied. Ich bin ein großer Fan davon, nicht selbst als Imam im herkömmlichen Sinne aufzutreten, sondern Menschen zu befähigen, Gebete anzuleiten oder selbst eine Freitagspredigt zu halten.

Endlich hatte ich ein Wort für das Gefühl gefunden, was ich schon seit ich denken konnte gefühlt habe. Ich hatte das richtige Wort für mich. Ein Wort, das mir zeigte, dass es noch andere Trans-Menschen weltweit gab und gibt.

Für meine Identität als Trans-Mann habe ich einen langen Weg zurückgelegt. Bereits mit drei Jahren habe ich gemerkt, dass mein Körpergefühl nicht mit der Art zusammenpasst, wie mein Körper von anderen wahrgenommen, also konstruiert wird. Als kleines Kind dachte ich, dass mit meinem Körper etwas nicht in Ordnung sei, und dachte deshalb, er sei irgendwie kaputt gegangen. Immer wieder suchte ich nach Erklärungen und Bewältigungsstrategien für mein Ich-Gefühl. Ich dachte z. B., alle Mädchen fühlen sich in ihren Körpern unwohl oder wenn ich auf Mädchen stehe, dann muss ich ein Junge sein. Es blieb immer eine Unsicherheit, weil die Umwelt meine Annahmen nicht bestätigte. Ich war ungefähr 13 Jahre, als ich mich als lesbisch geoutet habe, obwohl sich das Wort nie so ganz richtig anfühlte. Mit 23 entdeckte ich durch Zufall einen Beitrag über einen Trans-Mann. Mit dem Begriff konnte ich zunächst nichts anfangen. Aber als ich die Geschichte des Mannes sah und hörte, wusste ich sofort: Das bin ich. In dem Moment war ich überglücklich. Endlich hatte ich ein Wort für das Gefühl gefunden, was ich schon seit ich denken konnte gefühlt habe. Ich hatte das richtige Wort für mich. Ein Wort, das mir zeigte, dass es noch andere Trans-Menschen weltweit gab und gibt. Ein Wort, das Existenz gab. Trotz allen Glücks führte diese Erkenntnis auch zu Stress und psychischer Belastung. Trotz neuem Vornamen und Abbinder um meine Brust wurde ich von der Außenwelt als Frau wahrgenommen und mir wurde an vielen Stellen aktiv das Mannsein abgesprochen. Das zeigt, wie fest in unserer Gesellschaft die Zuordnung von bestimmten Körperteilen und Bildern zu bestimmten Geschlechtern ist. Meine Suche nach dem richtigen Wort verdeutlicht, wie viel Leid Trans-Kindern zugefügt wird, wenn ein Begriff wie „trans“ nicht in ihrer Lebens- und Sprachwelt vorhanden ist. Für eine entsprechende Aufklärung brauchen wir viele neue Kinderbücher. Letztendlich begann ich im Jahr 2017 Hormone einzunehmen. Nach der Anpassung meiner Brust im letzten Jahr empfand ich große Dankbarkeit. Es war ein sehr spiritueller Augenblick, als ich in der Krankenhauskapelle betete und Gott dafür dankte, alles gut überstanden zu haben. Nach all dem befürworte ich die Abschaffung des Transsexuellengesetzes, welches in sich schon eine Diskriminierung ist.

Seit ich auch optisch als Mann wahrgenommen werde, habe ich auch männliche Privilegien in der Gesellschaft. Im Vergleich zu Frauen werden sie z. B. oft als kompetenter wahr- und ernstgenommen. Über die eigenen Privilegien kann man nachdenken. Mein Privileg kann ich so nutzen, dass ich die Stimmen der anderen verstärken kann. Ich halte das für meine Pflicht, weil Gott alle Menschen gleich geschaffen hat. Mein Privileg auszunutzen wäre für mich eine Selbsterhöhung, die mir nicht zusteht.

Mein Vater, der als Angehöriger der romeiko-türkischen Minderheit nach Deutschland kam, hat mir beigebracht: „Sei niemals dankbar dafür, dass ein Mensch dich wie einen Menschen behandelt. Das sollte eine Selbstverständlichkeit und die Grundlage unserer Gesellschaft sein.“

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