Die „Exodus-Affäre“
Schleswig-Holstein und die Gründung Israels
1947 brechen 4.500 Holocaust-Überlebende mit einem maroden Schiff - der Exodus - nach Palästina auf. Sie werden von den Briten abgefangen, zurück nach Deutschland gebracht und wochenlang in Lagern nahe Lübeck festgehalten. Die internationale Empörung darüber war groß und führte letztendlich zur Gründung Israels. 70 Jahre ist das her. Das Jüdische Museum zeigt in einer bundesweit einzigartigen Ausstellung historische Fotos – und erzählt die bewegenden Geschichten, die dahinter stehen.
Die Sonderausstellung „Die Exodus-Affäre“ führt 70 Jahre zurück in die Zeit direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs: 4.500 jüdische Überlebende des Holocaust, die 1947 mit allen Mitteln versuchten, sich an Bord eines schrottreifen Schiffes nach Palästina durchzuschlagen, wurden von der britischen Armee auf hoher See abgefangen, zwangsweise nach Deutschland verschifft und über Wochen in der Nähe von Lübeck in Lagern hinter Stacheldraht interniert. Die internationale Empörung darüber war groß – und die Gründung eines jüdischen Staats rückte auf die Tagesordnung der Weltpolitik.
Von der einheimischen Bevölkerung Schleswig-Holsteins wurde damals allerdings kaum wahrgenommen, dass sich vor ihrer Haustür Ereignisse mit weltgeschichtlichen Konsequenzen abspielten. Am 8. September 1947 erreichten die britischen Deportationsschiffe den Hamburger Hafen. Noch am selben Tag wurden die jüdischen Exodus-Passagiere über den Bahnhof Kücknitz bei Lübeck weiter in die zwei Internierungslager Pöppendorf und Am Stau transportiert.
Ausstellung setzt auf zeitgenössische Fotografien, die berühren – und doch kritisch betrachtet werden müssen
Aufgrund des provisorischen Charakters der Internierungslager mit ihren vielfältigen Vor- und Nachnutzungen sind zur Exodus-Affäre kaum authentische Objekte aus Schleswig-Holstein erhalten. Die Sonderausstellung des Jüdischen Museums in Rendsburg setzt daher zentral auf zeitgenössische Fotografien, von denen nicht wenige aus dem Bildarchiv des Jüdischen Museums stammen. Angefertigt wurden die vielfach sehr beeindruckenden Bilder teils von Journalist*innen und professionellen Fotograf*innen, teils aber auch von den Exodus-Passagieren und Displaced Persons selbst.
In einer Zeit, in der das Fotografieren teuer und aufwendig war, ist kaum ein Foto ohne einen konkreten Zweck entstanden. Die Motive sind mit einer bestimmten Absicht ausgewählt worden, viele Bilder wurden sehr bewusst inszeniert und gestellt, und sogar ein- und dasselbe Foto kann durch unterschiedliche Zeitungsüberschriften diametral entgegengesetzte Aussagen erhalten. Daher spielen in der Ausstellung auch Fragen über den kritischen Umgang mit Bildern als Ausstellungsexponaten eine Rolle.
Flensburger Historiker und bedeutender Vertreter der visual history ist Co-Kurator
Der erste Anstoß, eine Foto-Ausstellung zur Exodus-Affäre zu machen, kam 2016 von dem Flensburger Historiker Gerhard Paul. Er ist seit 1994 Professor für Geschichte und ihre Didaktik an der Universität Flensburg, gilt als wichtiger Grundlagenforscher zur Geschichte der Juden in Schleswig-Holstein - und bedeutender Vertreter der visual history. Paul hat das Projekt als externer Co-Kurator maßgeblich mitgetragen.
Das Jüdische Museum reiht sich mit ihrer Sonderausstellung ein in das weltweite Gedenken an die Exodus-Affäre. Es ist die einzige Institution, die diesem Thema eine eigene neue Ausstellung widmet. Da die Exodus-Affäre später als Teil des Gründungsmythos des jüdischen Staates in das kollektive Gedächtnis Israels eingegangen ist, versteht sich die Ausstellung gleichzeitig auch als Beitrag der Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen zum 70. Gründungsjubiläum des Staates Israel im Jahr 2018.